Hochwasserhilfen aus Elbe-Elster, ein Rückblick – Teil 2

Ahrtal/Elbe-Elster. Der zweite Teil unseres Hochwasserberichtes aus dem Ahrtal beinhaltet den Katastrophenschutzeinsatz unserer Einsatzkräfte aus dem Landkreis Elbe- Elster sowie dem Land Brandenburg.

Foto: Blaulichtreport Elbe-Elster

Die MTF- 18 (Medizinische Task Force)* wurde zweimal in Bereitschaft versetzt, jedoch nicht abgerufen bzw. wurde die Fahrt jeweils kurz vor Antritt abgesagt. Geplant war, dass die MTF die medizinische Versorgung sicherstellt, da dies durch die zerstörte Infrastruktur im betroffenen Gebiet nicht mehr gegeben war. Hierfür sollten Behandlungsplätze und Krankentransporte bereitgestellt werden.

Zeitnah fanden auch die ersten Absprachen zu einem offiziellen Hilfeleistungskontingent aus dem Einsatzgebiet der Leistelle Lausitz statt. Am 03. August 2021 wurde dieses Angebot angenommen, woraufhin der Katastrophenschutzeinsatz für unsere Einsatzkräfte vom 05. bis 16. August stattfand. Insgesamt 90 Einsatzkräfte aus 29 Ortswehren des Landkreises Elbe- Elster, inklusive denen, die in der Heimat die Planung übernahmen, waren daran beteiligt. Auch Kräfte einer DRK- Wasserwacht und einer DRK-Bereitschaft waren mit dabei. Das Interesse unserer Einsatzkräfte zu helfen, war groß. Jedoch musste jeder in einer relativ kurzen Vorbereitungszeit viele Fragen klären. Prinzipiell ist jeder Arbeitgeber verpflichtet, Einsatzkräfte für solch einen Einsatz freizustellen, dennoch sollte dies unbedingt vorab geklärt werden. Neben den organisatorischen Vorbereitungen jedes Einzelnen kam auch die psychische Vorbereitung dazu. So viele Bilder, Videos und Medienberichte man auch sah, man konnte sich nicht darauf vorbereiten. Jens Kauder, Notfallsanitäter im Dienst, sagte vor Ort „Hier sieht es aus wie in einem Kriegsgebiet. Es fehlen nur noch die Einschusslöcher.“. So hart, wie diese Aussage auch klingen mag, alle vor Ort sagten, dass es drei Wochen nach der Katastrophe noch immer so aussah. Wenn man dies nicht mit eigenen Augen gesehen hat, kann man sich diese Ausmaße mitten in Deutschland nicht vorstellen.

Foto: Blaulichtreport Elbe-Elster

Die Einsatzkräfte wurden in drei Schichten aufgeteilt. Eine Schicht setzte sich immer aus einem An- und Abreisetag sowie drei Tagen Einsatz vor Ort zusammen. Ein Teil der Aufgaben, die im Ahrtal geplant waren, waren vorher bekannt, weshalb man versuchte, sich bestmöglich darauf vorzubereiten und benötigte Materialien mitzunehmen. Da dies im Detail aber nicht zu 100% klappte, brachte die zweite Schicht weiteres benötigtes Werkzeug mit. So konnte vor Ort noch schneller und flexibler gearbeitet werden.

Zehn Fahrzeuge aus unserem Landkreis starteten am 05. August gegen 7 Uhr mit dem Hilfeleistungskontingent aus der Lausitz in Richtung Ahrtal. Eine Strecke von 600km im Konvoi zu fahren, stellte sich als sehr kräftezehrend heraus. Die Fahrt dauerte 13 Stunden, bis sie im Bereitstellungsraum am Nürburgring ankamen. Nach Einrichten des Lagers, Nahrungsaufnahme und Absprachen für den ersten Einsatztag, ging der Tag gegen 24 Uhr zu Ende. Viel Schlaf gab es nicht, da die Einsätze früh starteten und täglich Fahrzeiten vom Bereitstellungsraum zum Einsatzort von teilweise drei Stunden dazu kamen. Im Bereitstellungsraum kam es des Öfteren zu Problemen. Beispielsweise mussten Schlafplätze umdisponiert werden, Dusch- und Toilettenmöglichkeiten änderten sich und mitten in der Einsatzzeit wurde der komplette Zeltplatz verlegt, was sich bei der Menge von Hunderten Einsatzkräften schwierig gestaltete und bei manch Einem zu blank liegenden Nerven führte.

Foto: Blaulichtreport Elbe-Elster

Trotz der Unannehmlichkeiten im Bereitstellungsraum, merkte man den Einsatzkräften im Einsatzgebiet nichts an, denn dort hieß es Anpacken von Anfang bis Ende. Es gab auch mal Leerlauf, dies lag an der großen Komplexität des Einsatzes. Daher wurde neben den abzuarbeitenden Einsätzen auch bei Anwohnern mitgeholfen. Dies sorgte für eine enorme Wertschätzung unserer Einsatzkräfte. Kommentare wie „Die Brandenburger sind da, die machen wenigstens was.“ waren keine Seltenheit. In einem Ort, wo man vorher noch nie war, wurde man mit „Ihr seid doch die Brandenburger, top Leistung.“ begrüßt. Dies sorgte für Erstaunen und Dankbarkeit, als die Helfer persönlich Einladungen zu Dankesfeiern bekamen. Zu einer Veranstaltung vor Ort wurde sogar die Brandenburger Hymne „Märkische Heide“ gespielt. Das Gefühl der Solidarität, die Zuversicht der Menschen und die Wertschätzung unseres Einsatzes waren unbeschreiblich.

Foto: Blaulichtreport Elbe-Elster

Aber wie kam es zu dieser Wertschätzung? Durch die ständige Hilfsbereitschaft, auch außerhalb eines Einsatzauftrages mit anzupacken, wurde ordentlich Arbeit geschafft. Fünf Tage allein dauerte schon die Reinigung eines ca. 20x30m großen unterirdischen Regenwasserrückhaltebeckens, welches teilweise bis über die Knie mit Schlamm bedeckt war. Immer mit dabei waren auch private Firmen, denn nur zusammen war es möglich, diese Aufgabe zu bewältigen. Unzählige Öltanks wurden aus Gebäuden herausgeholt. Dafür musste vorher das Öl- Wasser- Gemisch abgepumpt werden. Insgesamt kamen weit über 100.000 Liter zusammen. Eine Einsatzkraft vom THW meinte „Wir kommen teilweise nicht hinterher, das Gemisch abzutransportieren, was ihr herausholt.“. Auch einige Spezialaufträge gab es. Ein Hotelbesitzer war verzweifelt, weil unsere Einsatzkräfte schon die vierte Feuerwehr waren, die sich die Öltanks ansah. Er sagte „Auch ihr werdet scheitern.“. Da wurde natürlich der Ehrgeiz unserer Einsatzkräfte geweckt. Auch wenn es einige Schwierigkeiten bei diesem Einsatzauftrag gab, konnten sie am Ende des Tages dem sprachlosen Hotelbesitzer sagen „Wir rücken ab, die Ölbehälter sind draußen.“.

Foto: Blaulichtreport Elbe-Elster

Neben der vielen Arbeit, die zu bewältigen war, gab es auch wieder Geschichten, die sich in die Erinnerung der Einsatzkräfte einbrennen werden. Beispielsweise gab es an einem Tag des Katastropheneinsatzes einen riesigen Schreckmoment, da ein Baggerfahrer mit der Fahrerkabine in den Fluss Ahr gestürzt war. Der Tag startete eigentlich wie jeder andere, doch kurz nachdem die Einsatzkräfte im Einsatzgebiet angekommen waren, brach Hektik aus. Die Kräfte des Katastrophenschutz- KTW aus Doberlug-Kirchhain, welche die Reinigung des Regenwasserrückhaltebeckens absicherten, fuhren plötzlich mit Blaulicht und Martinshorn los. Auch andere Hilfsorganisationen sowie ein Helikopter des ADAC starteten. Bei Ankunft war die Kabine des Baggers komplett unter Wasser. Der Fahrer hatte Glück, denn ein anderer Baggerfahrer konnte sofort reagieren und die Kabine aus dem Wasser heben. Die Einsatzkräfte aus Cottbus, die anlässlich anderer Arbeiten dort waren, schlugen ohne groß nachzudenken die Scheibe ein und befreiten ihn. Aufgrund der dramatischen Lage, seilte sich der Notarzt aus dem Helikopter ab und konnte ihn noch vor Ort versorgen. Mit ein paar Blessuren und vermutlich dem Schock seines Lebens, wurde er in ein Krankenhaus gebracht.

Foto: Blaulichtreport Elbe-Elster

Zwischen all den dramatischen Geschichten, gab es aber auch immer wieder amüsante Berichte von Anwohnern. „Sie können froh sein, dass der Efeu genau dort stand.“, sagte ein Statiker, nachdem er ein Haus überprüfte. In Rech sind über Nacht viele Häuser verschwunden. Im Ort sieht man kaum etwas anderes, als Schotter und Geröll. „Hier haben mal über zehn Häuser gestanden, inklusive der Freiwilligen Feuerwehr.“, erzählten Anwohner. Ein Haus, bei dem der hintere Teil auf festem Untergrund steht, der vordere Teil auf Stelzen mit aufgeschüttetem Sandwall, hätte eigentlich auch nicht mehr stehen dürfen. Doch auf diesem Sandwall ist über Jahre hinweg Efeu gewachsen, welcher schon vor Jahren von den Anwohnern hätte entfernt werden sollen. Doch er blieb. Und nun bleibt er auf Lebenszeit genau dort, wo er jetzt ist. Laut dem Statiker hat der Efeu den Untergrund so verfestigt und den Wassermassen damit die Möglichkeit genommen, die aufgeschüttete Erde wegzuspülen.

Foto: Blaulichtreport Elbe-Elster

Ihr seht, es gibt Geschichten ohne Ende. Es ist schwierig, das Erlebte in Worte zu fassen, weshalb sich die beiden Beiträge vom Ahrtal sicher etwas anders gelesen haben, als unsere sonstigen Beiträge. Dennoch ist all das nur ein Bruchteil dessen, was von unseren Einsatzkräften erlebt wurde, teilweise mit persönlichem Einblick von Blaulichtreport Elbe- Elster. So tragisch, wie diese Katastrophe auch war, sie zeigt uns umso mehr, wie viel Nächstenliebe in jedem von uns steckt. Beispielweise auch in Franz-Josef, dem „Trompeter vom Ahrtal“, wie er liebevoll genannt wurde. Er fuhr von Ort zu Ort, hielt bei Menschen oder besonders einprägsamen Orten an und leitete den täglichen Feierabend mit seiner Musik ein. Er spielte ‚nur‘ Trompete, aber diese Melodien waren sehr ergreifend. Alle hielten inne, legten ihre Arbeit nieder und lauschten. Oft versuchte man gegen die Tränen anzukämpfen, teilweise auch erfolglos.

Foto: Blaulichtreport Elbe-Elster

Im Namen von Blaulichtreport Elbe- Elster möchten wir uns noch einmal bei Allen bedanken. Bei den Hilfsorganisationen, den freiwilligen Helfern, den Spendern und allen, die anderweitig bei dieser Katastrophe geholfen und unterstützt haben. Aber nicht nur auf die Katastrophe bezogen, es geht auch ein großes Danke an Jeden und Jede, die unentgeltlich in ihrer Freizeit aus Solidarität Hilfe leisten. DANKE! (DT/JK/RRS)

*Die MTF ist eine standardisierte, sanitätsdienstliche, arztbesetzte taktische Einheit mit Spezialfähigkeiten zum Einsatz im Zivilschutz und der Katastrophenhilfe des Bundesministeriums für Inneres, für Bau und Heimat. Insgesamt gibt es 61 MTF, die sich über ganz Deutschland verteilen.

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